Der Marmorpalast
 

Im Jahr 1869 wurde in der damals noch selbstständigen Landgemeinde Altendorf an der Stelle des abgebrannten "Wünsche Gutes", Limbacher Straße 164, ein Gasthaus mit Kegelbahn von 30 m Länge errichtet. Bauherr war der Architekt Karl Zeh. 1878 musste er aus finanziellen Gründen die Gastwirtschaft aufgeben und  Bruno Lorenz wurde neuer Besitzer des „Deutschen Hofes“.

 

1885 erfolgte ein Orchestereinbau nach Plänen des Architekten Paul Lembke. 1887 wurde auf dem Gelände eine Turnhalle errichtet, die bis 1900 vom Turnverein Altendorf genutzt wurde. Im gleichen Jahr wurde Altendorf zu Chemnitz eingemeindet.

Ab 1899 hatte der "Deutsche Hof" wieder einen neuen Besitzer. Nach umfangreichen Um- und Ausbauten führte das Haus fortan den Namen „Marmorpalast“. Diesen Namen erhielt es wohl durch seine prunkvolle Innenarchitektur mit Elementen der Gründerzeit. Der Volksmund nannte es allerdings - wohl wegen des vielen Stucks - "Gipskiste".

 

 

Das Ball- und Konzerthaus besaß nun einen Ballsaal für 3000 Personen, einen Gesellschaftssaal für 400 Personen und einen Vereinssaal für 100 Personen sowie 2 Kegelbahnen, einen Konzertgarten, Autogarage und eine Parkanlage mit Kinderspielplatz.

     

1904 war Musikdirektor Friedrich Lippold der Eigentümer. Der Marmorpalast bekam einen Schleusenanschluss, eine Veranda mit Musikkapelle im Garten, schließlich Kläranlagen und Blitzableiter.
Am 6. Juni 1915 wurde hier eine Heimatfeier für den Kreisverband der Evangelisch-Lutherischen Männer und Jünglinsvereine ausgerichtet.

 

     

  1920 nannte das Handelsregister Ernst Böhm als Geschäftsführer. Wieder erfolgten viele bauliche Veränderungen. Der Marmorpalast war eines der beliebtesten Etablissements in den "Goldenen Zwanzigern" in Chemnitz.
 

1925 gab es eine der ersten „Saalschlachten“, als der Propagandaredner Joseph Goebbels im Marmorpalast sprach. Es war der erste große Zusammenstoß zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten in Chemnitz. Ein Toter und 73 verletzte Arbeiter waren zu beklagen.  Am 16. November 1927 trat dann Hitler selbst mit einer Rede im Marmorpalast auf.

 

     

  Am 5. Dezember 1925 gab es ein Zusammentreffen ganz anderer Art. Da fand der Boxwettkampf zwischen dem Münchner Ludwig Haymann und dem Dänen Sören Petersen im Marmorpalast statt.
Am 12. Juni feierte der Verein der Fußartillerie von Chemnitz und Umgebung hier ihr 35. Stiftungsfest und am 23.  April 1928 eine Gedenkfeier der Vereinigten Sächsischen Militärvereine zum 100. Geburtstag König Alberts von Sachsen statt.

Im 2. Weltkrieg diente der Marmorpalast als Unterkunft für ausländische Zwangsarbeiter, später als Lazarett.1945 wurde Emma verw. Böhm die Inhaberin des Marmorpalastes. Nacherbin war ihre Tochter Ilse Winkler, geborene Böhm. Beide wohnten noch bis Mitte der 60er Jahre in der Wohnung auf der Limbacher Straße 164.
Nach Auflösung des Lazaretts wurde angeregt, die Räumlichkeiten als Spielstätte der Städtischen Theater zu nutzen. Sämtliche Chemnitzer Theater waren durch schwere Kriegsschäden nicht nutzbar. .

 

 

   

 

Das Ballhaus wurde durch bühnengerechten Umbau in das Musiktheater der Stadt mit 1076 Plätzen verwandelt. Am 29.  Oktober 1945 hob sich der Vorhang zur Premiere des „Zigeunerbarons“.
1945 nahm Rudolf Kempe seine erste Berufung zum Generalmusikdirektor im Marmorpalast entgegen.
1947 fand im kleinen Saal eine Leistungsschau von Strickmodellen, Modellhüten, Schuhen und Modelltaschen statt und 1948 veranstaltete der Kreisverband der SED einen "Bunten Nachmittag für Heimkehrer".

     

Doch die Probleme der Instanthaltung und des Feuerschutzes wurden immer akuter. 1949 stellte die Stadt finanzielle Mittel für den Umbau zur Verfügung. Doch diese reichten nicht aus und das fehlende Geld sollte aus Erlösen einer Theaterlotterie "Zum Wiederaufbau des Opernhauses" und aus der am 14. September 1949 stattfindenden Veranstaltung "Schlager auf Schlager" kommen.
Am 8. März 1950, nach Fertigstellung des Opernhauses, erhielt das Haus den Namen "Operettenhaus". Der Name "Marmorpalast" war damit offiziell erloschen.

 

 

 

1952 musste der kleine Saal wegen Baufälligkeit  gesperrrt werden. Wieder wurden Instanthaltungsmaßnahmen in Höhe von 100.000 Mark durchgeführt.

Am 15. November 1952 findet die "Aktivtagung der FDJ" im Marmorpalast statt. Mit dabei ist der damalige Vorsitzende der FDJ und spätere Staatsratsvorsitzende der DDR Erich Honecker.

1954 gab es Gastspiele der Dresdner Philharmonie unter Heinz Bongertz und 1957 unter Kurt Masur und viele weitere Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen.

 

     

Doch der Zahn der Zeit nagte an allen Ecken des Etablissements. Eine Generalüberholung hätte wohl wenigstens eine ganze Million verschlungen. Schließlich wurde das Haus 1958 in "Eigentum des Volkes" überführt. Im gleichen Jahr kam es zur Auferstehung des alten Namens „Marmorpalast“
Am 20. August 1959 eröffnete noch eine HO-Gaststätte nach teilweisen Reparaturen. Auch eine HO-Verkaufsstelle gab es hier. Spielstätte und Tanzsaal wurden jedoch 1963 geschlossen. Von 1967 bis zur Schließung 1983 nennt sich die Gaststätte "Slavia" - ein Tschechiches Nationalitätenrestaurant.

 

     

 

 Im Operettenhaus fiel der letzte Vorhang am 4. Juli 1963 mit „Boccacio“. Die Operette fand nach einer Interimsphase 1963/64 im Kulturpalast Siegmar ihre Heimstatt im Opernhaus. Ab 1963 führte der Marmorpalast die Bezeichnung Probenhaus. Er beherbergte Probensäle für Musiktheater und Ballett, die Werbe- und Fotoabteilung, eine Tiefziehanlage für Plastestrukturen und ein Spielutensilienlager.
 

Am 12. Mai 1996 wurde auch dieses Kapitel mit einer Abschiedsvorstellung der Städtischen Theater beendet. Nach Bezug der neuen Probenräume in der Treffurthstraße ging im Haus an der Limbacher Straße 164 endgültig das Licht aus.Seitdem wurde ein Investor bzw. Käufer für den Marmorpalast gesucht.

 

 
 

  2009 hatte das Gebäude wohl noch einen Wert von 43.000,- €. Bei einer Auktion in Dresden war das Mindestgebot bei 15.000,-€ festgelegt. Schließlich wurde er von einem nichr benannten Käufer für 21.000,-€ ersteigert. Doch auch danach hat sich hier nichts getan und so verfällt das Gebäude immer mehr.
 
     

Nicht nur äußerlich sind die Verfallserscheinungen sichtbar, auch innen bietet sich ein erschreckendes Bild. Und doch lässt sich noch heute die ehemalige prukvolle Ausgestaltung anhand noch vorhandener Überreste von Malereien erahnen. Schade, dass dieses Bauwerk für Chemnitz für immer verlorengeht.
Inzwischen steht der Marmorpalast wieder zum Verkauf.

 

     

 

     

 

     

 

Bildquellen: 1, Sammlung Petra Habelt
                     2, Sammlung Christian Kaißer
                     3 - 7, 9, Sammlung Eberhard Hofmann
                     8, 11, 12, Sammlung Hilmar Uhlich
                    10, Sammlung Gaebler/Papst
                    13, 15, Fotos Petra Habelt
                    14, Foto Christian Kaißer
                    16 - 23 Fotos Hilmar Uhlich

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Der ehemalige Marmorpalast an der Limbacher Straße hat einen neuen Besitzer. Die leerstehende Immobilie kam heute bei einer Auktion in Dresden für 21.000 Euro unter den Hammer. Wer der Käufer ist, wurde nicht bekannt - das Angebot kam per Telefon. Der historische Marmorpalast gehörte früher zu den größten und beliebtesten Konzert- und Ballsälen in Chemnitz. Die Stadt hatte sich jahrelang vergeblich um einen Investor bemüht.
Der ehemalige Marmorpalast an der Limbacher Straße hat einen neuen Besitzer. Die leerstehende Immobilie kam heute bei einer Auktion in Dresden für 21.000 Euro unter den Hammer. Wer der Käufer ist, wurde nicht bekannt - das Angebot kam per Telefon. Der historische Marmorpalast gehörte früher zu den größten und beliebtesten Konzert- und Ballsälen in Chemnitz. Die Stadt hatte sich jahrelang vergeblich um einen Investor bemüht.